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Oktober 2021 - Studium, Frankfurter Buchmesse und gute Stimmung

Seit über einem Monat fülle ich nun schon mein „Glücklich-Buch“, dieses Minitagebuch, das alle schönen Momente enthält, weshalb mir dieser Monatsbericht locker von der Hand geht. Ich muss nicht mehr in meinem Gedächtnis kramen – was ist denn in den letzten 31 Tagen alles passiert? –, ich kann’s einfach nachlesen. Von den kleinen Momenten („Ich habe auf der Arbeit einen Kakao getrunken“ bis „Ich habe leckere Mandarinen gegessen“) brauche ich aber natürlich nicht zu erzählen. Glücksmomente sind zwar grundsätzlich berauschend, aber eben nicht immer erzählenswert. Genauso wie sie meist nicht ästhetisch sind, weshalb Instagram und Co. zur Künstlichkeit anstiften und gleichzeitig Authentizität propagieren, aber darüber sprechen wir ein andermal wieder.

Eine Ursache für viele Einträge ist weiterhin das neue, hobbymäßige Studium (aktuell ein Modul des Fachs Geschichte) an der Fernuni Hagen, das nun offiziell seit einem Monat läuft. Es geht um Stände, Kolonialismus und so vieles mehr. Ich weiß nun z.B. endlich, warum es Adelige gab, die den Titel „Kurfürst“ trugen. Allein des Wortes wegen habe ich angenommen, dass es Fürsten seien, die gerne Kurorte besuchen. Ist ja nicht so, dass die nicht gerne zur Erholung gewisse Residenzen aufgesucht hätten. Aber ... yep, nur knapp daneben *lach*. Das Wort „Kur“ bzw. „Kür“ bedeutet „Wahl“ (Der Ausdruck „jemanden küren“ ist heute noch geläufig). Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gab es sieben Kurfürsten und diese waren berechtigt, den König zu wählen. Hier gab es nämlich einen Wahlkönig. Hat also nix mit Urlaub, Erholung und Wellness zu tun *noch mehr lach*.

Letzte Woche habe ich mir einen Vortrag der Fernuni zum Thema „Entführungen von MillionärInnen in der BRD“ angehört (im Fokus bis 1989). Auch ein sehr spannendes Thema, wenn auch etwas exotisch (die Referentin forscht hierzu im Rahmen ihrer Habilitation). Daraufhin habe ich prompt das Werk „Im Keller“ von Jan Philipp Reemtsma (1997) erstanden, ein Millionär, der entführt wurde, für ein Lösegeld von 30 Millionen Mark wieder freikam und über dieses Erlebnis schreibt. In dem Vortrag wurde angemerkt, dass den Entführern oft die sog. Deutungshoheit der Geschehnisse zugestanden wurde/würde, während die Opfer eher selten in die Gelegenheit gekommen sind/kommen, ihre Sicht zu schildern. Dieses Buch ist eine Ausnahme von der Regel. Presse und Öffentlichkeit nehmen nämlich die Täter ins Zentrum der Aufmerksamkeit, sodass diese über sich selbst, ihre Taten und die Opfer urteilen können. Auf diesem Wege prägen sie das öffentliche Bild und können sich selbst als „Robin Hoods“, wie ein Teilnehmer bemerkte, einer kapitalistischen Welt darstellen. Insbesondere ab den 70er Jahren galt ihnen (in meinen Augen ironischerweise) die Sympathie der Öffentlichkeit. Denn sie hatten nur ihre eigene Bereicherung im Sinn und haben dafür z.T. auch gefoltert und gemordet. Trotzdem nahm das Mitleid für die gern als „Geldsäcke“ betitelten Opfer zunehmend ab. Kein Wunder, dass die Sicherheitsbranche im Kommen war und immer weniger über den eigenen Wohlstand gesprochen wurde. Gleichzeitig wurden aber auch zunehmend Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit aufgeworfen, nachdem der Reichtum der wenigen in den Fokus geriet. Spannend, nicht wahr? Ihr wollt noch mehr wissen?

So geht es mir bei diesem Studium jedenfalls am laufenden Band. Ich habe inzwischen schon so viele Bücher bestellt, die in einem der Skripte erwähnt wurden, dass ich bezweifle, dass ich sie zeitnah alle lesen kann (u.a. Aristoteles’ Poetik, Tacitus’ Annalen). Zumal ich bei der „Bibliothek des Apollodors“ das Problem habe, dass ich die Druckschrift nur schwer entziffern kann. Es handelt sich um einen Neuabdruck des Originals aus dem Jahre 1786. Besonders bei den kunstvoll gedruckten Großbuchstaben darf ich raten, welchen der 26 ich da vor mir habe, aber das wird schon!

Kommen wir zur Messe. Ich war mit einer guten Freundin an dem Messefreitag vor Ort und es hat uns beiden richtig gut gefallen. Dank der vergleichsweise wenigen Besucher konnten wir uns alles in Ruhe anschauen und mit den Ausstellern ins Gespräch kommen. Ganz anders also als an dem Messesamstag vor zwei Jahren, als ich zuletzt in Frankfurt war. In 2019 waren mein Mann und ich an gewissen Knotenpunkten regelrecht eingekesselt. Es gab z.T. kein Vor und kein Zurück und wenn man wirklich an die Stände herankommen wollte, musste man drängeln. Das ist echt nicht meins. Diesmal war es aber sehr entspannt. Ich habe ein paar Kontakte geknüpft, mich etwas länger mit den Leuten vom PAN e.V. unterhalten, mir ein paar Ratschläge geben lassen und war sogar im Fernsehen. Für den SWR durfte ich in zwei Sätzen sagen, wie gut mir die Messe gefällt. Hehey! Es war also insgesamt sehr nett und ich habe es mit dem Bücherkaufen nicht übertrieben. Drei Bücher habe ich direkt mitgenommen („Influencer – Die Ideologie der Werbekörper“, „Über das Unbehagen im Wohlstand“ sowie „Spiritus Daemonis“ von Mary Cronos und Jan Gießmann). Ein weiteres Buch habe ich mir zuhause im Nachgang noch bestellt („Bewusstsein – Die ersten vier Milliarden Jahre“) - ein Hardcover, das ich an dem Freitag nicht mit mir herumschleppen wollte. Bis auf „Spiritus Daemonis“ alles keine Unterhaltungsliteratur, aber davon steht im Moment auch noch zu viel Un- oder Angelesenes im Schrank.

„Spiritus Daemonis“ ist übrigens eine ganz coole Angelegenheit. Es ist ein Buch, das wie ein Chatverlauf aufgebaut ist. Ab und zu ist am Rand ein Symbol abgedruckt und über eine App kann hiermit „Bonusmaterial“ abgerufen werden, sodass man Fotos, kleine Clips und Audiodateien zur Ergänzung der Geschichte erhält. Das Buch ist perfekt, um seine Lesefähigkeit zu trainieren, da es nur zwei Stimmen und zwischendurch kurze Passagen mit einem Erzähler gibt. Ich lese es abends meinem Mann vor, der an der Geschichte (Es geht um Betrüger Vincent, der von der Eso-Shop-Verkäuferin Teresa Tipps und Ausrüstung haben will, um einen Exorzismus authentisch zu simulieren, und dann feststellen muss, dass an der Sache mit dem Dämon doch mehr dran ist, als er dachte), der App und meinen Vorlesekünsten richtig Spaß hat. Es ist auf jeden Fall eine aktivere Beschäftigung, als sich dauernd nur von Netflix berieseln zu lassen.

Apropos Vorlesen. Ich habe nun auch das zweite Zertifikat der POP erhalten. Den Kurs „Studiosprecher“ habe ich nun offiziell mit 94% abgeschlossen, was ein „sehr gut“ ist. Damit bin zufrieden und muss es jetzt nur noch schaffen, nicht aus der Übung zu kommen, bis es ein veröffentlichtes Buch gibt, aus dem ich tatsächlich im Rahmen einer Lesung vorlesen kann.

 

Heute beginnt der November und es dauert damit nur noch knappe zwei Wochen, bis ich meinen Schreib-Urlaub habe, was diesmal nur bedingt etwas mit dem NaNoWriMo zu tun hat, sondern eher damit, dass ich noch mehr als die Hälfte meines Jahresurlaubs übrig habe. Im November sind es 10 Tage, an denen ich mich nicht mit meinem Brotjob befassen werde und im Dezember habe ich am Ende nochmals zwei Wochen frei. Die letzten zwei Monate des Jahres werden also arbeitstechnisch definitiv ruhiger und ich darf mich auf die Dinge konzentrieren, die mich beflügeln. Darauf freue ich mich sehr.